Schach Open Mühlhausen (Thüringen) 2003 Drei Schnecken hatten wir der Gaststätte am Schwanenteich, direkt neben dem Turniersaal, im letzten Jahr verliehen. Selbstverständlich haben wir 2003 getestet, ob die Auszeichnung auch weiterhin verdient wird oder eventuell eine Schnecke abzuziehen sei. Wir dürfen vermelden, daß auch im Jahr 2003 die Qualitätskriterien in den Bereichen Langsamkeit, Unflexibilität und Gleichgültigkeit übererfüllt wurden.
Wenn sich gegen Mittag das Leben am Schwanenteich regt, die Vögel zwitschern und die Touristen mit Booten in den See stechen, dann regt sich die Besatzung der Gaststätte deswegen noch lange nicht. Zwar kann auch der dichte Baumbewuchs rings um das Lokal nicht verhindern, daß Gäste eindringen und mit knurrenden Mägen bzw. quietschender Leber die idyllische Ruhe zerstören. Aber dank qualifizierter Fachkräfte hat die Mannschaft alles im Griff und schon so manchen zum Abzug gezwungen.
Bilder des Grauens: Gäste haben von zwei Seiten den Eingang überwunden und sich an etwa drei Tischen eingenistet. Kommt der Reisende just dann an, wenn schon mehr als etwa drei Tische besetzt sind, hat er verloren. Unser viertägiges Experiment im Jahr 2003 bestätigte die Erfahrung der letzten Jahre, daß der Invasor häufig erst mal ignoriert wird. Vielleicht geht er ja von selbst. In der Tat konnten wir beobachten, daß an allen vier Tagen Personen beim Warten die Nerven verloren und unverrichteter Dinge abrückten. Ein Doppelschlag traf Schachfreund Marotzke: Er kam auf die Terrasse, wurde nicht bedient, zog nach langer Wartezeit ab und kam später nochmal - nichts zu machen: Auch beim zweiten Mal wurde er ignoriert und begann die nächste Runde ohne Mittagessen. Natürlich gibts Typen, die
bleiben einfach hocken. Für solche Ignoranten gibt es die nächste Stufe,
die wir als gastropädagogische Spezialformatierung bezeichnen möchten.
Der Gast wird innerlich aufs Günstigste zur korrekten Abgabe einer
bescheidenen Bestellung vorbereitet, wenns denn schon nicht zu vermeiden
ist. "Sie sehen ja
was hier los ist". Dieses geflügelte Wort des Chefkellners, das wir
hiermit der Nachwelt überliefern und das man vielleicht sogar ins
Griechische übersetzen sollte, ist die Haupttherapie, um den Gast zur
angemessenen Anspruchslosigkeit zu ermuntern. Dabei wird dem Gast oft ohne falsche Zurückhaltung ein tiefer Einblick in die seelischen Zwangslage der Gaststättenelitetruppe gegeben: "Sie sehen ja was hier los ist .. heute waren schon drei Gruppen da, und alle wollten sie was essen". Wobei wir anfügen dürfen, daß es sich um Personengruppen handelte, die gemeinhin als Familie bezeichnet werden und jeweils etwa 5-8 Leute umfassten. Die genaue Einhaltung der Besuchszeiten ist unerläßlich. Ein Schachspieler der etwa 2 Minuten nach 15 Uhr was aus der kleinen Tageskarte essen wollte, erhielt die Antwort: Die gilt erst ab 16 Uhr. "Na gut, dann nehm ich was aus der anderen Karte". Antwort: "Die gilt nicht mehr - die geht nur bis 15 Uhr" Die Bestellung selbst, so es
dann dazu kommt, ist ein Vorgang, der angesichts der totalen
Überlastung der Truppe vom Gast Service, Mitdenken und Zuvorkommenheit
verlangt. Ist die Bestellung dann
aufgegeben, kommt es überwiegend dazu, daß man was kriegt (wir mussten
nur ein einziges Mal gehen, weil nichts kam) . Zuvor jedoch sind Geduld,
Beharrungsvermögen und Toleranz zu üben. Der Kellner arbeitet streng
nach Plan. Bei langen Wartezeiten schaut er selbstlos nach, ob der Gast
noch da ist. So kam er einmal 45 Minuten nach einer geglückten
Bestellung wieder: "Was hatten Sie
bestellt ? Jetzt können wir mal dran gehen." Ein Schachspieler, der die strengen Geschäftszeiten nicht kannte, kam gegen 21 Uhr noch ins leere Lokal, alles war noch beleuchtet, aber kein Gast mehr da. Der Kellner saß einsam und erschöpft von seiner Tagesleistung am Tisch, keine Reaktion. Der Schachspieler setzte sich, wartete und wartete. Keine Reaktion. Schließlich ging er zum Kellner und fragte nach. Der Kellner unwirsch: "Wir haben geschlossen. Sieht man doch". Wir hätten die Auszeichnung des Betriebs in diesem Jahr ohne weiteres auf vier goldene Schnecken erhöht, wenn nicht am letzten Tag ein unerklärlicher Zwischenfall dazwischen gekommen wäre: Wir kamen auf die Terrasse, nach 5 Minuten kam der Kellner, nahm freundlich die Bestellung auf und brachte 15 Minuten später das Essen. Die Gründe dafür liegen völlig im Dunkeln. So bleibt es bis auf weiteres bei drei Schnecken. Sollten Sie einen Besuch des Lokals geplant haben, empfehlen wir, nicht unvorbereitet dort zu erscheinen. Sie sollten vorher schon einen kleinen Imbiß zu sich genommen haben. Offensichtlich haben erfahrene Gäste auch schon mal ihr eigenes Essen mitgebracht. Denn am Eingang hängt ein Schild: Der Verzehr von mitgebrachten Speisen, Getränken und Eis ist nicht gestattet. |
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